Grün, grün, grün sind alle meine Kleider

Am Anfang war die Frage. Den Schrank voll Klamotten und nichts anzuziehen oder so ähnlich. Schließlich ein schwarzes Kleid, Schuhe, mit denen man eigentlich nicht mal zur Tramstation kommt, was dazu führt, ein weiteres Mal all der tapferen, leiderprobten Frauen weltweit und ganz besonders in Paris zu gedenken, die tagein, tagaus einen Kampf gegen sich selbst und die Kopfsteinpflaster ihrer Stadt führen; außerem sparsam eingesetzte Accesoires, was ja auch die Glamour bestimmt gut fände. Fusion Bändchen am Handgelenk statt Bread & Butter.

Ganz Berlin ist dieser Tage ein Laufsteg. All die sowieso vorhandenen schönen, gutangezogenen Menschen scheinen sich vervielfacht zu haben und man weiß gar nicht, wohin zuerst schauen. Würde man an all den Partys, Shows, Dinners, Dinnerpartys, Store-Opening-Partys, After-Fashion-Show-Partys, Pre-Opening-Partys etc.pp. teilnehmen, man hätte keine Gelegenheit zu schlafen, wie es sich in Berlin ja durchaus auch an einem normalen Wochenende verhalten kann. Vorausgesetzt natürlich, man hat eine Überdosis Vitamin B gekriegt, sozusagen.

Meine erste und einzige Station ist der Green Showroom, der sich als Plattform für ökologisch korrekte Mode versteht und sich selbstbewusst im Umfeld der übrigen High Fashion positioniert. Das erklärt schonmal, warum sich eine aktuelle Ausgabe der ELLE in das braune Papiertütchen verirrt hat. Freitag Nachmittag finde ich mich also wieder auf einem dekadent ausladenden Polstersessel im ersten Stock des Adlon. Eins vorweg: Der vermeintliche Glamour, den man diesem Ort allzu leicht attestiert, stellt sich als Patina heraus, so wie ja auch das Dach, wie ich mich dumpf im Rückblick an das Architekturmentorium erinnere, seine besten Zeiten hinter sich hat und mal ausgetauscht werden musste. So kann man sich den Ort eher als gesetzte, ältere Dame denn als hippes Fashion Victim vorstellen. Das wiederum geht nicht so recht zusammen mit dem Anspruch, der hier im Rahmen der Fashion Week gestellt wird: Grün soll es sein, grün und also ökologisch korrekt. Bei den meisten Modellen glaubt man das gerne und zwar insofern, als dass sich hier leider das Klischee von spießiger Ökomode Bahn bricht. Mache Models sehen aus, als hätten sie sich gerade für einen Waldspaziergang zurechtgemacht oder für den Wandertag mit Mutti. Hauptsache das Schuhwerk ist robust!

Auch die musikalische Untermalung – Klassische Interpretationen von Bratsche und Violine – trägt nicht gerade zur Steigerung des Coolness Faktors bei. Und kaum hat man den richtigen Blickwinkel gefunden, bezeihungsweise sich bei den Nachbarn die richtige Gestik und Mimik abgeschaut (1. ein dezentes Naserümpfen und/oder Augenbrauen zusammenziehen für “geht gar nicht”, 2. ein kaum merkliches kurzes Nicken für “das geht in die richtige Richtung” und als ultimativen Gefühlsausbruch, sozusagen, 3. ein subtiles Lächeln für “I like!”), ist die Show auch schon wieder zu Ende. Die im Anschluss im Salon einzunehmenden angekündigten “Cocktails” entpuppen sich als Biolimonade. Es bleibt die Erinnerung an ein vielversprechendes Label mit dem zauberhaften Namen Ica Watermelon, fernab von jeder Countryside Ästhtetik.

Dann wären da noch die “Showrooms” selbst. In zwölf Suiten präsentieren sich weitere Designer (auch diese, nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen, ökologisch korrekt). Es geht um Fairtrade und Co2-arme Produktionsbedingungen und auf dem Flur riecht es verdächtig nach Bio-Raumspray und ich gedenke der Dr. Hauschka-Gesichtsmaske, die ich ebenfalls in der Tüte auf meinem Stuhl vorfand. Förmlich aufdringlich empfindet man den Monolog über die Geschäftsphilosophie einer italienischen Designerin, die sie einem in einem ungeschützten Moment aufzwingt. Umso amüsierter höre ich dagegen der Dame zu, die erklärt, dass die Kinderbücher, die ihre Modekollektion ergänzen, aus Elefantendung hergestellt sind. “Richtige Scheißbücher”. Das ist die Art von Selbstironie, die man nicht zwangsläufig bei der Fashionweek erwartet, die aber einen schönen Ausgleich für den fehlenden Glamourfaktor bieten würde. Whatever. Die besten Trends, das wusste schon der Satorialist, liegen sowieso auf der Straße.