Kürzlich besuchte ich den Musikverein. Dort, an einem der renommiertesten Orte für klassische Musik in Wien, heilige Hallen sozusagen, machte ich mal wieder Bekanntschaft mit dem Homo Digitalis. Er saß eine Reihe vor mir, Anfang dreißig, Typ IT-Experte, asiatische Züge, ich tippe auf Korea. Während des neunzig minütigen Konzerts hatte er durchweg mit seinem Handy zu tun. Soweit ich das von meiner Position aus beurteilen konnte, switchte er unablässig zwischen verschiedenen Tabs: Facebook, Twitter, der iPhone-Notizapp und irgendwelchen Newsfeeds.
Für die Welt habe ich mal wieder über die Digitalisierung und unsere schwindende Aufmerksamkeit nachgedacht. Anlass war Johannes Hepps Buch „Die Psyche des Homo Digitalis. 21 Neurosen, die uns im 21. Jahrhundert herausfordern. Wie wir unsere psychische Widerstandskraft stärken und heil durch den digitalen Dschungel finden“, das ich nicht empfehlen kann, wohl aber die Tatsache begrüßen, dass es mehr und mehr Literatur zu diesem drängenden Thema gibt.
Der Ausblick ist jedenfalls düster, die Technik schreitet voran, schon der Begriff Homo Digitalis lässt anklingen, dass Künstliche Intelligenzen nicht nur Einzug in unseren Alltag halten, sondern auf gruselige Art schon jetzt mit Menschen verschmelzen (googeln sie mal Transhumanismus), und bald leben wir eh alle im Metaverse. Meine Güte, ich muss wirklich aufpassen, keine berufszynische Michelle Houellebecq zu werden.