Was macht der Mensch in der Krise?
Zum Beispiel: Den Teppich aufrollen. Kante auf Kante und zuvor Acht geben auf Brösel, Krümel, Fusseln. Zurück bleibt eine helle Stelle auf dem Parkett, so war das mal, früher.
Sonst: Ein Möbelstück umschlingen, eines, auf dem jetzt ein kleiner gelber Zettel klebt, zu verkaufen, und die Geschichte dazu erzählen, angefangen hat alles 1992 mit meinem damaligen Freund, und dabei hemmungslos weinen. Dann ist da die Sache mit dem Geld: Der Staat, respektive die Bank, hat sich bereit erklärt, darauf aufzupassen. Viel Verantwortung, viel Arbeit. Jetzt kann man sich auch mal revanchieren, sozusagen, ein bisschen was abgeben, damit der nette Mann mit dem Anzug, der sich plakativ hinter dem Tresen positioniert hat, neben dem Schild: “Care hat Österreich nach dem Zweiten Weltkireg geholfen – Helfen auch SIE!”, auch mal wieder was zu tun hat. Also reißen Sie sich doch bitte zusammen und gehen einkaufen!
Man kann sonst auch ein paar Freunde zusammentrommeln und Modenschau machen und wenn die Teppiche noch nicht alle zusammengerollt sind, hat man sogar einen richtigen Catwalk. Dann kann jeder in seiner ganzen geballten Individualität darüberschreiten, so als Krisendefilee sozusagen. Klingt komisch, aber wer mal einen Blick in eine sogenannte Frauenzeitschrift wirft, der stößt früher oder später auf den Nullerchic, sprich das Lebensgefühl der Jetztzeit, übersetzt in unseren Kleiderschrank. Dieser Nullerchic zeichnet sich hauptsächlich durch Reduktion aus, nur wird das natürlich netter verpackt: endlich zurück zu den Wurzeln, weg mit den Rüschen, Schleifen, üppigen Stoffen, hin zu einem cleanen, erwachsenen Look, der sich aufs Wesentliche beschränkt. Sophistication! Ist ja bei der Kunst auch nicht anders, aber nicht abschweifen. Lieber überlegen, was sich sonst noch so als Maßnahme anbietet.
Man kann großzügige Kreise auf die Blümchentapete malen, man kann der Zeit mit offenem Mund beim Verstreichen zusehen und ab und zu komische Geräusche machen, man kann auch laut “I will survive” hören, am Besten mit ganz vielen Leidensgenossen in einer kleinen Garage und ab und zu kommt jemand und öffnet die Tür und alle hüpfen und denken, gar nicht so schlecht. Singen scheint sowieso die Laune zu heben, allein, im Chor, begleitet vom tragbaren E-Piano. Essen muss der Mensch auch und mit vollem Magen singt es sich besser, aber wieso nicht auch mit 3,90 € über die Runden kommen? Drei Mahlzeiten inklusive einem warmen Mittagessen (zwei Bratwürste, 69 Cent, eine Packung Kartoffelbrei aus der Tüte, 40 Cent, Bratensoßenpulver, 25 Cent, ein halbes Glas Rote Beete, 79 Cent, ein Glas Leitungswasser), und einem Snack (eine Scheibe Toast, 7 Cent, 25 Gramm Butter, 10 Cent, 30 Gramm Marmelade, 17 Cent, eine Tasse Kaffee, 23 Cent), uns geht es doch wirklich nicht schlecht. Und so schlecht sind auch die Arbeitsbedingungen im Discounter nicht und wenigstens haben die da Arbeit.
Und wenn das alles nicht hilft? Ein letzter Spartip für den mittelgroßen Geldbeutel: Wieso Theaterkarten kaufen, wenn man auch zuhause im Wohnzimmer mit Freunden und Familie Theater spielen kann (Texte bitte in der öffentlichen Bibliothek ausleihen)?
Und ich frage weiter: Wieso drei Stunden für eine Karte für das Theatertreffen am Haus der Berliner Festspiele anstehen und dann leer ausgehen, wenn man sich das fabelhafte “Riesenbutzbach – Eine Dauerkolonie” auch beim Public Viewing im Sonycenter anschauen kann? Übrigens: Wenn die Bewohner des realen Riesenbutzbach auch so adrett und so gar nicht krisenfest angezogen sind, sollte man vielleicht mal hinfahren.