“Über das Fondue klagt jene in den letzen Jahren stark angewachsene Gruppe, die zwar nicht weiß, wie man einen Kopfsalat putzt, aber doch zur Überzeugung gelangt ist, dass Essen eine schöne Gelegenheit ist, zu zeigen, zu welcher gesellschaftlichen Schicht man gehört. (…) Für diese Gruppe ist das Fondue das scheinbar leichte Opfer, der Mettigel unter den warmen Gerichten, über den sich lustig zu machen nicht viel kostet.” (ZEIT Magazin)
Mit kaum etwas kann man seine Mitmenschen so zuverlässig schocken wie mit dem falschen Vorschlag fürs Silvesterbuffet. Da braucht es nicht mal Grundsatzdiskussionen wie “warm oder kalt?”, “Fleisch oder nicht?”. Wobei man mir, auch nett, kürzlich versicherte, es sei völlig legitim, sich als Vegetarier zu bezeichnen und trotzdem ab und an mal ein bisschen beim Barbecue zu schnabulieren. Es handele sich dann ja um eine Ausnahme. Das Lustprinzip greift ja eh fast überall, da kann man mal über Details wie: Hatte das Ding auf meinem Teller ein Vorleben oder nicht? hinwegsehen. Das Fleisch ist schwach, wusste schon der liebe Gott.
Aber wenn schon Grundsatzdiskussionen, dann auf den Tisch damit! Wo lässt es sich besser übers Essen streiten als beim Essen selbst? Debatten über ethisch korrekte Ernährung bringen Schwung in jede angespannte Runde. Es sollen schon Beziehungen an der Auseinandersetzung über Massentierhandlung auseinander gegangen sein. Vor ganz neue Herausforderungen stellt einen als Tischgesellschaftsmitglied die überproportional schnell, ja geradezu rasant wachsende Gruppe der Veganer. Nicht, dass sie nicht wüssten, was schmeckt: Der vegane Brunch des “Frühstücksclubs” im Hamburger Gängeviertel gehört zu den monatlichen Highlights in meinem Terminkalender und die Erinnerung an meinen ersten veganen Carrot Cake versetzt mich noch heute in eine heilige Ehrfurcht angesichts des Potentials von Speiseöl und Better Than Cream Cheese-Cream Cheese. Es ist auch nicht so, dass ich meinen Standpunkt als Karnivor nicht vertreten mag. Wer aus persönlicher Überzeugung auf jegliche tierische Produkte verzichtet, verdient Respekt, auch den Meinen, vorausgesetzt, er zählt nicht zu den Schön-Wetter-Veganern (siehe oben). In diese Gruppe gehören dann auch diejenigen, die zwar Agavensirup statt Honig in ihren Minztee kippen, dafür aber stolz ihre Lederloafers spazieren führen (eine schöne Überleitung zur Pelz-Diskussion, aber das ist einen eigenen Post wert). Ich möchte nicht vom veganen Küchenchef darüber belehrt werden, wie sehr mein rücksichtsloses Verhalten unserer lieben Erde schadet, schon gar nicht, wenn ich gerade Gast in seinem Restaurant bin. Ich will auch nicht meine baldige Erleuchtung in Aussicht gestellt bekommen, wenn ich dann endlich merke, dass Fleisch essen schlecht für mein Karma ist. Danke, ich entscheide bitte selbst, wo ich den inneren Frieden finde.
Nicht nur den Veganern unter uns, sondern jedem Menschen, der ein wenig Sinn für Ästhetik und Genuss hat, läuft es eiskalt über den Rücken bei der Vorstellung, einen Mettigel vorgesetzt zu bekommen. Es handelt sich hierbei (für alle nach 1970 Geborenen und für die Glücklichen, denen solche kulinarischen Abartigkeiten aus anderen Gründen erspart blieben) um einen Klops aus rohem, groben Schweinefleisch, dem so genannten “Met” oder auch “Hackpeter” (da schwingt das Grauen schon im Namen mit), gut zu erkennen an den Fettsprengseln und dem ungesunden Rotton. Diese Masse wird kunstfertig in die Form eines Igels gebracht. Senkrecht eingepiekste Zwiebelstreifen erfüllen die optische Funktion seines Stachelkleides. Darüber hinaus sind der Fantasie des Cuisiniers keine Grenzen gesetzt, denkbar sind etwa Oliven an Stelle der Augen, eine Weintraube als Näschen usw. usf. Es mag an der verkümmerten Fantasie der Spätgeborenen liegen, wenn man vor einem solchen Gebilde steht und nicht weiß, was damit anfangen. Ganz sicher bin ich mir nicht, aber möglicherweise sollen die Zwiebelsticks in die Fleischmasse gedippt werden, so gut das eben von der Konsistenz her geht, um sich Biss für Biss dem inneren (roheren?) Teil des im doppelten Sinn tierischen Objekts zu nähern. Wer es genau wissen will, wende sich an die netten Küchenfeen von www.mettsalat.de, die es sich zur Aufgabe machen, den oft (zu unrecht?) verschmähten Mettigel in den Kanon des Küchen-Einmaleins zu heben: “Für alle die etwas ganz besonderes auf Ihrem nächsten Buffet haben wollen.”
Ungeprüften Quellen ist zu entnehmen, dass besagter Mettigel vor einigen Jahrzehnten wirklich “auf keiner Party fehlen durfte.” Während sich der stilvolle Gentleman in den 30ern gediegen seine Oliven im Martiniglas schwenkte (trinkt man heute eigentlich noch Martini?) und in den 50ern eine Ananas als Zeichen für Exotik galt, standen die 70er im Zeichen des Prinzips: Mehr ist mehr. Mehr Mayonnaise im Nudelsalat, mehr Sahne im Sahnepudding, mehr Buttercreme auf der Buttercremtorte. Dazu passt das aggressive Vokabular von der „Schlacht am kalten Buffet“ und der „Eisbombe“. Zu den gruseligen Überbleibseln jener Zeit gehören wohl auch Meringuen, Schichtsalat und Wackelpuddingbowle. Kroketten und Hawaiitoast sind dagegen nicht nur ein Fall fürs 70s-Revival, sondern bedauerlicherweise noch heute auf vielen Speisekarten zu finden.
Und das Fondue? Mit Schrecken erinnern sich Zeitzeugen an brennende Deckenlampen, Fettspritzer auf der Abendgarderobe und einen Geruch, der auch zwei Wochen später noch in den Gardinen hing. Die etwas sanftere Version des Käsefondues geht zwar auch für Vegetarier, haut aber kalorienmäßig genauso rein wie die Schokovariante (gibt es eigentlich noch Schokobrunnen?). Mehr als ein Fall für die Küchenparty ist das Fondue das Event selbst. So ein Abend mit guten Freunden, die heiter um den Platz im Topf für ihre Fleischhäppchen streiten und sich gegenseitig mit ihren Fonduegabeln pieksen, hat doch etwas sehr Charmantes.
Bei den meisten Feieranlässen ist der durchschnittliche Gast dankbar für jede feste Nahrung, die über eine Packung Salzstangen hinaus geht, zur Freude des Gastgebers. Dabei ist die dekadente Schlemmerlust sowieso längst einer reflektierten, bewussten Ernährung gewichen. Wer sich sein Sushi-Set ins Büro mitbringt, stellt an die Verpflegung auf einer Studentenparty auch nicht den Anspruch, seinen Bedarf für die nächsten drei Tage zu decken. Der eine tippt gewissenhaft seine Kohlenhydrate in die Kalorienzähler-App, der andere erkundigt sich mit tadelndem Blick, ob die Eier im Kuchen denn auch Bio seien oder die Milch im Mousse au Chocolat laktosefrei. Figurbewusste Mitte-Mädchen halten sich an Gemüsesticks mit fettarmem Kräuterquark fest oder knabbern die Gurkendeko aus dem Moscow Mule heraus. Allen kann man es sowieso nicht recht machen! Höchste Zeit also, einen Abend lang sämtliche kulinarischen Ansprüche fahren zu lassen und im Kreis seiner Liebsten das Fleisch von glücklichen Tieren in herrlich ungesundes Friteusenfett zu tunken.
Alle anderen hungrigen Nörgler kann man mit flüssiger Nahrung in Form von Hochprozentigem oder der Bowlendeko bei Laune halten. “Sie ist der Blickfang auf jedem prächtigen Partybuffet: Die fruchtige Bowle in der großen, runden Glasschüssel. Der leichte, gesellige Aperitif ist wieder salonfähig und darf auf keinem Fest fehlen.” Und die Früchte saugen sich so schön voll mit Alkohol.